Alken

Burg Thurant - Baumaßnahmen im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Erstellt: Sonntag, 22. Januar 2012 18:12

Burg Thurant an der Mosel.
Baumaßnahmen und Pläne zum Wiederaufbau im 19. und frühen 20. Jahrhundert
von Paul-Georg Custodis

[aus: Rheinische Heimatpflege - 47. Jahrgang - 2/2010, S.111-121; mit freundlicher Genehmigung des Autors]

 

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[Rheinische Heimatpflege - 47. Jahrgang - 2/2010, Seite 111:]

[Abb.1: Aus dem Gästebuch der Familie Ewald: Blick auf Burg Thurant und die Ruine der ehem. Wallfahrtskirche auf dem Bleidenberg bei Oberfell/Mosel]

"Dem Burgherrn zu Thurant in freundlicher Erinnerung an gebotene Gastfreundschaft fürs Hausbuch gezeichnet am 26./27. Januar 1908". So bedanken sich ein W. A. Schmidt aus Koblenz und Dr. Bruno Hirschfeld, der spätere Leiter des Staatsarchivs Koblenz, bei Dr. Wilhelm Ewald in dessen Gästebuch. Denn diese Burg am Unter-


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lauf der Mosel, oberhalb des kleinen Ortes Alken, die sich heute in einer Mischung aus Ruine und neuen Wohnbauten aus den Jahren zwischen dem späten 19. Jh. und den dreißiger Jahren des 20. Jh. präsentiert, war in den Jahren 1906-1911 Wohnsitz des Historikers und späteren Museumsdirektors Prof. Dr. Wilhelm Ewald. Ewald und dessen Schwager Dr. Theodor von Laufenberg, der von 1906-1911 Eigentümer der Burg war, setzten den Wiederaufbau von Thurant, der bereits in den achtziger Jahren des 19. Jh. begonnen worden war, mit entscheidenden Baumaßnahmen fort.
Hoch über der Mosel auf einem nach drei Seiten abfallenden, lang gestreckten Bergsporn hatte um 1200 Pfalzgraf Heinrich, genannt "der Lange", Sohn Heinrichs des Löwen und Bruder des deutschen Kaisers Ottos IV., eine Burganlage errichtet. Sie sollte der Sicherung welfischer Interessen an der Mosel dienen und erhielt ihren ungewöhnlichen Namen nach der Syrerfestung Turon bei Akkon, die Pfalzgraf Heinrich im dritten Kreuzzug im Jahre 1197 vergeblich belagert hatte. Nach der Eroberung von Burg Thurant durch den Trierer Erzbischof Arnold von Isenburg und den Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden in den Jahren 1246-1248 wurde die zwischen beiden Herren geteilte Burg mit den Orten Alken, Oberfell und Kattenes Kondominat der beiden geistlichen Landesherren und je zur Hälfte Sitz eines trierischen und eines kölnischen Amtmannes. Gemeinschaftlich wurden die beiden Bergfriede und eine den ganzen Bering umgebende Ringmauer errichtet. Aus dieser Bauepoche datieren die umfangreichen Reste der mittelalterlichen Gebäude. Eine heute noch in wesentlichen Teilen erhaltene Mauer teilte die Burg in einen Kölner Teil (nach Norden) und einen Trierer Teil (nach Süden), wo sich der heutige Zugang für die Öffentlichkeit befindet.

Seit 1495 waren die Herren von Wiltberg Lehensnehmer von Thurant. Sie nutzten die bereits 1542 als baufällig bezeichnete Burg als Steinbruch, um mit diesem Material ihren neuen "Wiltberger Hof" im Ort Alken auszubauen. Die Zerstörungen im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrieges von 1689 durch französische Truppen und später noch durch napoleonische Soldaten ließen die Burg endgültig zur Ruine werden. Nur die beiden Bergfriede und die Umfassungsmauern blieben erhalten. In diesem Ruinenzustand blieb die Burg nun viele Jahrzehnte. So dokumentierte 1831 der Maler und Zeichner Carl Bodmer. Der gebürtige Schweizer Carl Bodmer, geboren 1809 in Zürich und gestorben 1893 in Paris, stellte in annähernd 60 Blättern Städte und Dörfer an Rhein und Mosel dar und nahm auch eine Ansicht von Alken mit Burg Thurant darin auf. Diese Bilder erschienen 1841, nun als Stahlstiche umgesetzt, im Tafelwerk "Die Mosel und ihre nächsten Umgebungen von Metz bis Coblenz historisch-topographisch" beim Verlag Hölscher in Koblenz.

Neben seiner Tätigkeit als Zeichner, Maler und Illustrator gewann Bodmer eine besondere Bedeutung für die Ethnologie durch seine Teilnahme an den Nordamerika-Exkursionen des Prinzen Maximilian


 


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[Abb.2: August von Cohausen, Grundriss der Burg Thurant 1862]

zu Wied in den Jahren 1832-1834. Seine 1839 publizierten Aquatintabilder dieser Reisen zeigen den "Wilden Westen" Amerikas so, wie er damals wirklich war und sollen Karl May für seine Indianerliteratur beeinflusst haben. Carl Bodmers Ansicht von Alken mit Burg Thurant lässt die Burgruine auf steilem Felsen majestätisch über dem vieltürmigen Ortsbild mit einer Masse anonymer Häuser herrschen.
Nüchterner und wie ein Chronist gab August von Cohausen, preußischer Offizier und späterer Landeskonservator, im Jahre 1862 die Burg in einer Ansicht von Norden und im Grundriss wieder: Im Nord- und im Südteil der Burg standen die beiden 50 bzw 60 Fuß hohen Bergfriede. Sie markierten den ehemals Kölner Burgteil im Norden und den Trierer im Süden. An ihn schlossen die hoch aufragenden Mauern eines "Palasgebäudes" (bei Günther "Rittersaal" genannt) mit einem mächtigen Staffelgiebel und einem im 20. Jh. rekonstruierten Rundbogenfenster in der östlichen Außenwand an. Nach Westen folgte ein Mauerzug mit zwei Rundtürmen. Das "Pfalzgrafentor" bildete für den Kölner Teil den nördlichen Zugang vom Ort aus. Unmittelbar über der Westseite des Mauerberings, der Schauseite zum unterhalb liegenden Ort Alken, ragten die Reste eines Gebäudes auf, bei Günther bei Cohausen nüchtern als "Substructionen" bezeichnet. Es hatte eine 30 Fuß hohe nördliche Giebelwand. Der winkelförmige, heute noch bestehende Anbau, später auch "Herrenhaus" genannt, war damals in den Fundamenten und offenbar teilweise auch noch im aufgehenden Mauerwerk erhalten. Cohausen bezeichnete es 1862 als "Ruine eines kleinen Hauses". Den Zugang dieses Trierer Burgteiles bildete von Süden ein Torbau, der durch den ehemaligen Halsgraben gesichert wurde.
Die Burg mit ihrer länglich-ovalen Grundrissform und mit ihren beiden hoch aufragenden Bergfrieden wurde inzwischen immer mehr zum malerischen Requisit von Alken. Doch die Ruine, die aus der Ferne so romantisch und erhaben aussah, befand sich in einem Zustand äußersten Verfalls. Denn die Eigentümer, die Herren von Wiltberg, waren inzwischen so verarmt, dass ihnen jegliche Mittel zur Bauunterhaltung fehlten. So verkauften sie die Burgruine im Jahre 1884 an einen W. Braun (auch Bratin genannt), über dessen Person keine näheren Einzelheiten bekannt sind. Braun ließ erste Instandsetzungsarbeiten durchführen und baute das Wohnhaus wieder auf. Doch besaß er die Burg nur kurze Zeit. Er verkaufte sie weiter an die Bauunternehmung Hermann Fischer u. Cie in Köln. Dieser wiederum verkaufte sie 1886 für 20.000 Mark an den Kölner Immobilienmakler Philipp Grohs.
Ab 1884 wurden auf der Burg eine Reihe von Instandsetzungen und Aufbauarbeiten durchgeführt. Der Architekt dieser Bauarbeiten bleibt unbekannt:
- Die Burgmauer an der südwestlichen Talseite wurde in ganzer Länge repariert und erhielt teilweise einen oberen Abschluss mit Zinnen;

 


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[Abb.3: Ansicht der Burg von Nordwesten, nach 1886, Wohngebäude und Burgmauer mit Zinnen]
[Abb.4: Ludwig Arntz, Ansicht der Burg von Nordwesten, 1894]

- das neben dem "Kapellenbau" liegende Wohngebäude wurde in zweigeschossiger Höhe aufgebaut. Dieser Neubau hatte eine Frontlänge zum Tal von zwei Doppelfenstern. Das Flachdach schloss mit einer Folge von Zinnen ab.
- auf beide Bergfriede wurden durch Braun achteckige Aufbauten aus Holz mit Spitzdächern aufgesetzt, die unter Grohs aber wieder demontiert wurden.
Dieser Zustand der Burg ist durch Fotos und Zeichnungen dokumentiert: Die Randbegrenzungen des Burggeländes werden durch die beiden Bergfriede markiert. Über einer stark egalisierten Oberkante der Mauer, die mit einer Folge von Zinnen besetzt ist, erheben sich die Giebelscheibe des Kapellenbaus und der kubische Wohnbau mit seinen Zinnen. Die Burgruine erscheint dadurch heroisch verfremdet. Sucht man nach Vorbildern für derartige Zinnenabschlüsse, lassen sie sich an zahlreichen Burgenausbauten des 19. Jh. am Rhein wie z.B. bei den Preußenburgen Sooneck und Stolzenfels, aber auch an den mittelalterlichen Stadttoren von Köln oder am Turm der Stiftskirche in Münstermaifeld finden.

Auch Ludwig Arntz, der nachmalige Dombaumeister in Straßburg, dokumentierte im Jahre 1894 Thurant in drei Blättern seines Skizzenbuches und zeichnete dabei die Westseite der Burg mit dem neuen zinnenbekrönten Wohnbau. Arntz, 1855 in Köln geboren und 1941 dort gestorben, war Regierungsbaumeister im preußischen Staatsdienst und hatte zu jener Zeit bereits eine große Anzahl Reiseskizzen von Baudenkmälern in zahlreichen europäischen Ländern angefertigt, als der preußische Provinzialkonservator Prof. Dr. Paul Clemen ihn mit der Anfertigung von Bauaufnahmen rheinischer Baudenkmäler betraute. Sein Skizzenbuch wird heute in der graphischen Sammlung der Landesdenkmalpflege Rheinland-Pfalz aufbewahrt.
Im Jahre 1906 wurde Burg Thurant erneut verkauft: Für den Betrag von 26.500 Mark kam sie an Dr. Theodor von Laufenberg. Der neue Eigentümer der Burg, damals 24 Jahre alt und juristischer Referendar in Düren, der 1923 durch eine behördliche Berichtigung der Heiratsurkunde seiner Eltern dafür sorgte, dass seine Familie sich wieder "von" Laufenberg nennen durfte, war der Schwager des Kölner Historikers und späteren Museumsdirektors Prof. Wilhelm Ewald. Ewald stützte mit finanzieller Hilfe, vor allem aber mit einem hohen Darlehen seines vermögenden Vaters, Kauf und Ausbau der Burg. Dafür gewährte von Laufenberg seinem Schwager Ewald und dessen Frau ein notariell verbürgtes "lebenslängliches Wohnungsrecht" auf Thurant. Das später "Herrenhaus" genannte Wohnhaus wurde in einer zum Vertrag gehörenden Grundrisszeichnung der Burg als "Haus Ewald" ausgewiesen.
In der "Frankfurter Zeitung" wurden diese Fakten in einer Mitteilung vom 9.1 1.1906 folgendermaßen dargestellt: "Eine der schönsten Moselburgen, das auf der Höhe über Alken a. d. Mosel gelegene gro-


 


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[Abb.5: Ansicht der Burg von Südwesten, um 1907, Wohngebäude ohne Zinnen]
[Abb.6: Ansicht der Burg von Südwesten, um 1908, Wohngebäude und Anbau mit neuen Steildächern]

ße zweitürmige Schloss Thurant, ist nun auch dem Schicksal des Wiederaufbaus verfallen. Durch Kauf hat es ein Herr aus Köln erworben, der das Schloss zu herrschaftlichen Wohnungen ausbauen lässt." Von Laufenbergs Schwager Wilhelm Ewald, geboren 1878 in Köln und gestorben 1955 ebenda, studierte zunächst Theologie in Bonn, dann Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte in Innsbruck, wo er 1902 promoviert wurde. Ab 1903 begann er, wieder in Köln, als "Privatgelehrter" im Auftrage der "Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde" mit der Erstellung des sechsbändigen Corpuswerkes "Rheinische Siegel", dessen erster Band 1906 und dessen zweiter Band 1910 erschien. Von 1907 bis zu seiner Berufung als Museumsdirektor in Neuss im Jahre 1911 lebte Ewald als Privatgelehrter auf Burg Thurant.
Während von Laufenberg in Koblenz wohnte, wo er später als Rechtsanwalt tätig war, wurde Burg Thurant für Wilhelm Ewald, seine Frau Maria geb. von Laufenberg und die beiden kleinen Töchter zum ständigen Wohnsitz. Hierfür ließ er zügig das von Braun instandgesetzte zweigeschossige Wohnhaus um- und ausbauen: Ewald ließ den Zinnenabschluss abnehmen und dem Haus ein spitzes Dach aufsetzen. Der Innenausbau des Hauses wurde weitergeführt, so dass das Haus schließlich über acht Wohnräume und vier Mansarden verfügte. Durch einen neuen Innenputz, den Einbau einer Holztreppe und eine

[Abb.7: Wilhelm Ewald in seinem Arbeitsraum auf Burg Thurant]
[Abb.8: Grundriss Burg Thurant 1911]


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[Abb.9: Marie Ewald vor dem Seitenflügel des Wohnbaus]
[Abb.10: Altar der Kapelle]

Verglasung der Fenster ließ Ewald den "Kölner Turm" als Aussichtsturm nutzbar machen.
In neueren Publikationen (Freckmann 1996 und Strickhausen-Bode 2005) wurde mit Recht kritisiert, dass der Aufbau des Herrenhauses und sein oberer Abschluss mit Flachdach und Zinnen "vom Historismus geprägt" und durch keinerlei Befunde abgesichert war. Es war Ewalds Initiative, die Außengestaltung des Hauses derart zu verändern, dass die Zinnen abgenommen wurden und das Haus ein schlichtes Satteldach erhielt. Dies geschah nicht erst im Zuge der späteren Baumaßnahmen unter Ernst Stahl für Robert Allmers. Die Bedeutung der Baumaßnahmen am "Herrenhaus" zwischen 1906 und 1911 liegt in der Tatsache, dass Ewald nicht mehr mit historisierenden Bauformen arbeitete, sondern dem Gebäude jenes aus funktionstechnischen Überlegungen herrührende Steildach gab. Die Verwendung von Fachwerk für den östlichen Giebel und den Durchgang zum Burggarten gaben den Gebäuden zudem eine regionaltypische Prägung. Zweifelsohne mögen auch Gedanken der Heimatschutzbewegung, die in jenen Jahren von der Provinzialdenkmalpflege und dem neu 1907 gegründeten Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz propagiert und gefördert wurden, eine Rolle gespielt haben. Es ist auch denkbar, dass Ewald bei den vorgenannten Baumaßnahmen von Ludwig Arntz unterstützt wurde, zu dessen Hauptanliegen die Restaurierung mittelalterlicher Baudenkmäler gehörte. Ewald und Arntz, die sich gegenseitig sehr schätzten, kannten sich über ihre Arbeit für Paul Clemen, in dessen Auftrag Ewald die Kölner Kirchen St. Aposteln, St. Kunibert und St. Georg inventarisierte. Noch Ende der zwanziger Jahre des 20. Jh. ließ Wilhelm Ewald nach Bauaufnahmen des damals schon recht betagten Ludwig Arntz Modelle von historischen Siedlungen und Einzelbauten für das "Rheinische Museum" (später umbenannt in "Haus der Rheinischen Heimat", den Vorläufer des Kölnischen Stadtmuseums) anfertigen und richtete dort 1941 eine "Gedenkausstellung für Ludwig Arntz" aus.
Eine weitere Besonderheit der Baumaßnahmen jener Zeit auf Thurant stellt der erdgeschossige Ausbau des verfallenen Kapellenbaus mit der dort neu wieder eingerichteten Kapelle dar. Drei leicht spitzbogige Fenster machen sie in der westlichen Burgmauer deutlich. Hier wurde ein kleiner Barockaltar des späten 18. Jh. aufgestellt, "aus einer alten Kirche", wie Langen in der Chronik angibt. Zwei Säulenpaare mit Sockeln und Kompositkapitellen fassen eine gemalte Darstellung des hl. Joseph mit dem Jesuskind ein. Der Giebelabschluss fehlt. Die geschwungene Altarmensa weist elegante Ornamentschnitzereien und in der Mitte eine Darstellung des göttlichen Lammes auf. Leider lässt sich nichts genaues über die Herkunft dieses Altares, der sich noch heute auf der Burg erhalten hat, sagen. Doch lassen sich Parallelen zum spätbarocken Altar der katholischen Pfarrkirche von Brachtendorf in der Eifel des Bildhauers Heinrich Alken aus



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[Abb. 11: Der Lastenaufzug in Funktion - allerdings für Besucher]

Mayen finden. Ewald ließ sich durch ein päpstliches Schreiben vom 4.3.1907 die Aufstellung dieses Altares bestätigen und das Recht, in dieser Kapelle die Messe lesen zu lassen. Nach der Übernahme der Burg durch Robert Allmers wurde eine neue Kapelle auf der Ostseite der Burg eingerichtet. Da Robert Allmers der evangelischen Konfession angehörte, wurde das Recht zur Feier der Messe nicht auf die neue Kapelle übertragen.
Von Laufenberg ließ zur Versorgung der Burg verschiedene technische Einrichtungen anlegen: Wasser aus eigener Quelle wurde mittels einer Pumpstation auf die Burg geleitet. Ebenso war eine Kanalisation installiert. Eine Art technisches Wunderwerk war der elektrisch betriebene Lastenaufzug zur Burg: An einem schräg gespannten Seil wurde ein Lastenkorb zur Burg gezogen. Dies war sowohl zum Baubetrieb wie auch zur täglichen Versorgung mit Gütern eine besondere Hilfe. Doch konnte man damit zum Vergnügen der Gäste auch Personen nach oben befördern.
Wilhelm Ewald und seine Frau führten ein offenes Haus und empfingen auf Burg Thurant viele Gaste. Es muss ein munteres Treiben gewesen sein, das sich in den Eintragungen des heute noch erhaltenen Gästebuches widerspiegelt, eine bunte Mischung aus Juristen, Historikern und Theologen, Familienangehörigen und Freundinnen aus Maria Ewalds Zeit in einem französischen Pensionat. Einer der ersten Gäste war der Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Bruno Kuske, der 1908 an das Historische Archiv der Stadt Köln berufen worden war und in den Jahren 1931-32 als Rektor der Kölner Universität amtierte. Zusammen mit Bruno Kuske sollte Wilhelm Ewald im Jahre 1925 in Köln die große "Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande" planen und durchführen. Kuske schrieb am 24. Juli 1908 in das Gästebuch der Familie Ewald die launigen Worte:
"Ewalds, die Kinder, die Hühner, die Enten,
die Schnecken, die Asseln, Ali, der Salat,
die Gurken, Kresse, Kurköln, Kurtrier, Mittelalter
Gemäuer, Restauration (nicht 'Kneipe', nicht Bodo Ebhardt),
viel Weinstöcke, Naturreiner, Gezuckerter Trester,
Flaschen, der Fluß, der Kahn, Pöppinghaus,
das Lesezimmer, die Mädels, der Bleidenberg, viel Sonne,
viel Bäume, Ruhe, viel Schönheit:
Das ist Thurant!"
Dr. Bruno Hirschfeld, der spätere Direktor des Koblenzer Staatsarchivs (heute Landeshauptarchiv), und Dr. Felix Hauptmann, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Bonn, der sich mit dem juristischen Hintergrund des Wappenwesens beschäftigte, waren immer wieder Gäste auf der Burg. Pater Ildefons Herwegen kam im Oktober 1909. Seine Wahl zum Abt von Maria Laach stand noch bevor. Er wird von 1933-1934 den von den Nationalsozialisten abgesetzten und verfolgten Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer in Maria Laach aufnehmen. Mit Ildefons Herwegen kam ebenfalls aus Maria Laach der junge Benediktinerpater Adalbert Schippers, der später durch Kunsthistorische Forschungen zur Geschichte von Maria Laach hervortreten wird. Und es kamen immer wieder katholische Geistliche


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[Abb.11: Josef Kohlschein d.J., Ansicht von Kapelle und Wohnbau, Skizze im Gästebuch, datiert "16.11.1910"]

aus dem Kölner Umfeld auf die Burg, so Kaplan Hubert Schmitz, der am 10.8.1909 als "Burgkaplan" unterzeichnete, Mathieu Debosse, Kaplan in Zell an der Mosel sowie Dr. Josef Stoffels, der spätere Kölner Weihbischof. Er war 1909 zum Repetenten (Tutor) am Collegium Albertinum in Bonn, dem Konvikt des Erzbistums Köln für Theologiestudenten, ernannt worden. Unter den vielen Gästen auf der Burg war auch der Maler Josef Kohlschein der Jüngere (1884-1958), ein "deutscher Impressionist", der zur Düsseldorfer Malerschule gehörte. Er liebte das Malen im Freien und war zur damaligen Zeit bereits durch viele Darstellungen rheinischer Landschaften bekannt geworden. Von ihm haben sich zahlreiche Aquarelle und Bleistiftzeichnungen von Burg Thurant und Umgebung erhalten. Zu seinen bekannten Werken gehört im Haus der Bezirksregierung in Düsseldorf die Ausschmückung des Saales des Bezirksausschusses (heute Raum 148, "Alfred-Gaertner-Saal) , den er 1911 mit "sieben lichterfüllten impressionistischen Wandgemälden" schmückte. Wilhelm Ewald nutzte seine Thuranter Zeit hauptsächlich für die Siegelforschung. Die wissenschaftliche Auswertung des von ihm in deutschen und ausländischen Archiven gesammelten Materials geschah weitgehend in den Jahren seines Aufenthaltes auf Burg Thurant. Hier erarbeitete er offenbar auch seinen stattlichen, 1911 veröffentlichten Aufsatz "Siegelmissbrauch und Siegelfälschung im Mittelalter, untersucht an den Urkunden der Erzbischöfe von Trier bis zum Jahre 1212." Denn am 10. April 1910 schrieb Dr. Josef Stoffels in Ewalds Gästebuch:
"Burg Thurant!
Wer gesündigt an den Siegeln
Hinter Deinen schweren Riegeln
wird's erkannt."
Wenn auch die Publikation der Corpusbände "Rheinische Siegel" ab Band 2 in größeren Zeitabständen erfolgte - Ewalds Arbeit hieran wurde durch die Einrichtung von zwei Museen und durch zwei Weltkriege unterbrochen - so basieren auch diese Veröffentlichungen auf Ewalds (Vor-)Arbeiten während seiner Zeit als Privatgelehrter auf Burg Thurant.
In diesem Zusammenhang ist noch besonders Ewalds 1914 erschienene "Siegelkunde" zu erwähnen, ein heute noch gültiges, europaweit anerkanntes Standardwerk der Siegelforschung. Auch dieses Handbuch beruht im wesentlichen auf Ewalds Arbeit während seiner Zeit auf Burg Thurant. In seinem Vorwort zur ersten Auflage erwähnt Ewald Prof. Dr. Hauptmann und die Maler-Brüder Hans und Josef Kohlschein, die für seine "Siegelkunde" Zeichnungen angefertigt hatten. - Deren Namen, Aquarelle und Federzeichnungen schmückten auch das Gästebuch der Familie Ewald in den Jahren, die sie auf Burg Thurant verbrachte.
Die Museen, die Ewald in Neuss und in Köln einrichtete, wurden im Krieg zerstört. Erhalten aber blieb Ewalds wissenschaftlicher Nachlass, so die große Sammlung von Siegelabdrücken, die er zusammengetragen hat. Sie befindet sich heute als "Siegelsammlung Ewald" im Historischen Archiv des Erzbistums Köln, in einem Findbuch wissenschaftlich


 


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aufgearbeitet durch dessen langjährigen Direktor Prof. Toni Diederich.
Im Jahre 1911 wurde Wilhelm Ewald als Museumsdirektor nach Neuss berufen. Die Stadtverwaltung hatte ihm die Aufgabe übertragen, dort das "Städtische Museum Neuß" (das heutige "Clemens-Sels-Museum) einzurichten. Damit endete für ihn und seine Familie die Zeit des Aufenthaltes auf Burg Thurant. Theodor von Laufenberg suchte nun die Burg zu verkaufen, ein Anliegen, das sich schwierig und zeitaufwendig gestaltete. Im Archiv des Europäischen Burgeninstitutes hat sich die diesbezügliche Verkaufsofferte erhalten: "An der Mosel herrlichem Strande und unweit von Koblenz liegt der anmutige Flecken Alken. Man erreicht Alken mit der Bahn von Koblenz, bis Station Cattenes fahrend, in etwa 30 Minuten. Ganz in der Nähe von Alken und zu diesem Flecken gehörend, befindet sich die Burg Thurant, die hierdurch zum Kauf angeboten wird. Die Burg enthält im ganzen 12 Wohnräume, Küche, Waschküche und eine Kapelle mit kirchlicher Sanktion für Katholiken. Weiter sind gute Keller vorhanden. In den reichbewohnten Teilen finden sich noch reichlich übrige Räume zum Ausbau vor. 2 große Terrassen sind ebenfalls vorhanden. Ein Ziergarten, Weinberge mit ungefähr 4000 Stöcken, die allein einen Wert von 10.000 Mark repräsentieren, sowie alles Material für Weinbereitung, wie Kelter usw. gehören zum Besitz. ... Eigene Wasserleitung, Quellen, Kanalisation, Spülklosette sowie ein Lastenaufzug mit elektrischem Betrieb usw. sind in der Burg befindlich. Die sehr stilvolle Einrichtung der Burg kann event. teilweise mit übernommen werden. Die Preisforderung für das Grundstück ist eine geringe." Von Laufenberg hatte offenbar mit mehreren Interessenten Kontakt, bevor die Burg definitiv in neue Hände überging: Zunächst bot er sie im September 1911 der Firma Schaffner u. Cie., Berlin, zum Kauf an. Doch zeigte die Firma kein Interesse. Stattdessen verpachtete von Laufenberg die Burg an Peter Friesenhahn aus Berlin-Grunewald und räumte ihm ein Vorkaufsrecht ein, hatte aber offenbar gleichzeitig erste Kontakte zum späteren Besitzer der Burg, Geheimrat Dr. Robert Allmers. Doch wurde ein förmlicher Kaufvertrag zwischen von Laufenberg und Allmers für das Burggelände erst im August 1915 geschlossen. Von Laufenberg ließ sich bei der Vertragsunterzeichnung, da er inzwischen "im Felde" war, von seiner Mutter, Katharina geb. Hansen, vertreten. Für die Summe von 52.000 Mark ging Burg Thurant an Allmers über.
Dr. Robert Allmers (1872-1951), zunächst Zeitungsverleger in Varel bei Wilhelmshaven und durch Großherzog Friedrich August von Oldenburg zum Kommerzienrat, später auch zum Geheimrat ernannt, war Mitinhaber der "Hansa Automobil GmbH" und verfügte über ein beträchtliches Vermögen. 1913 fusionierte das Werk mit der Norddeutschen Automobil- und Motoren AG zur "Hansa-Lloyd AG" und wurde 1929 durch die Firma Borgward übernommen. Allmers war von 1926 bis 1945 Präsident des Reichsverbandes der Automobilindustrie. Bereits im Frühjahr 1904 hatte Allmers, zusammen mit seinem Freund

 


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[Abb.12: Josef Kohlschein d.J., Ansicht der Burg von Süden, Aquarell, datiert "November 1910", Ausschnitt]
[Abb.13: Bodo Ebhard, Ansicht der Burg von Südwesten, datiert "25.8.1913"]
[Abb.14: Bodo Ebhard, Ansicht der Burg von Südwesten, Entwurfszeichnung datiert "1914"]

August Sporkhorst und den beiden Familien eine Reise an die Mosel unternommen, standesgemäß mit einem Auto des Aachener Autobauers Cudell. Diese Reise muss offenbar bei ihm eine tiefe Zuneigung zum Rheinland bewirkt haben, da ihr noch viele weitere Fahrten folgten. Im Jahre 1911 wurde Allmers auf die zum Verkauf stehende Burg aufmerksam und hielt sich, zusammen mit seiner Familie, 1913 für längere Zeit auf Burg Thurant auf. Er fand dort das bestehende und voll nutzbare Ewaldsche Wohnhaus vor. Wenn Johann Heinrich von Brunn in seiner Allmers-Biographie "Ein Mann macht Auto-Geschichte" schreibt, " ... Die Burg war damals in vollem Umfang Ruine. Nur wenige Räume waren noch mit Dächern versehen, aber es waren keine Wohnräume mehr," ist dies schlichtweg falsch. Einen Gegenbeweis liefern nicht nur etliche Fotos aus dem Nachlass von Ewald, sondern vor allem Josef Kohlschein mit einem großen Aquarell der Burg, das die Datierung "November 1910" trägt und ein Aquarell von Bodo Ebhardt mit der Zeitangabe "25.8.1913". Alle diese Bilder zeigen das intakte, damals bereits vollendete "Herrenhaus" mit dem neuen Satteldach.
Bereits im Herbst des Jahres 1913 begann Allmers mit ersten Bauplanungen. Zur gleichen Zeit muss er auch an Bodo Ebhardt herangetreten sein und ihn um eine Wiederaufbauplanung für die ganze Burg gebeten haben. Wie die Kontakte zwischen Allmers und Ebhardt verliefen, ist nicht mehr belegbar, da sich im Nachlass Ebhardt hierzu kein Schriftverkehr findet und das Archiv auf Burg Thurant durch Kriegseinwirkungen verbrannte. Erhalten haben sich aber in der Plansammlung der Deutschen Burgenvereinigung im Europäischen Burgeninstitut in Braubach Ebhardts Bauaufnahme der Burg und eine vollständig ausgearbeitete Planung zum Wiederaufbau. Erste Planskizzen entstanden noch 1913 und 1914. Doch fanden diese Entwürfe nicht die Zustimmung von Allmers.
Der Umfang der Ebhardtschen Planungsarbeit lässt erstaunen. Eine ebenfalls im Europäischen Burgeninstitut erhaltene kleine Ansicht der Burg um 1900 zeigt, dass sich Ebhardt, zumindest seit dieser Zeit, mit Burg Thurant beschäftigt haben muss, allerdings ohne Auftrag. Das weitere Schicksal der Burg und ihr späteres Erscheinungsbild riefen naturgemäß Ebhardts Kritik hervor. So schrieb er noch 1925 in seinem Fundamentalwerk "Deutsche Burgen als Zeugen deutscher Geschichte": "Weniger erfreulich ist dagegen der Anblick von Burg Thurant geworden, wovon auch unausgeführte Pläne in meinen Mappen ruhen. Neue Wohnbauten, 'moderne Villen', stehen fremd in den alten, ernsten Mauern."
Etwa gleichzeitig muss Allmers auch bei Ernst Stahl um eine Ausbauplanung nachgesucht haben. Ernst Stahl (1882-1957), vormals Assistent von Paul Clemen in Bonn, war ab 1911 auch als freier Architekt tätig und galt als Spezialist für einen schonenden Ausbau historischer Bauten. Stahls großzügige Vision zum Ausbau von Burg Thurant hat sich allerdings nur in einem Modellfoto beim Europäi-

 



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[Abb.15: Ernst Stahl, Ansicht der Burg von Südwesten, Entwurfsfassung um 1914]
[Abb.16: Ansicht der Burg von Südwesten nach dem Ausbau durch Robert Allmers, um 1935]

schen Burgeninstitut erhalten. Auch diese Planung wurde nicht vollständig umgesetzt. Doch bildete sie ganz offensichtlich die Basis für einzelne Teilmaßnamen, wie den Aufbau des Pförtnerhauses (1915) und dessen Abschluss durch ein hohes Dach sowie die Gestaltung der kleinen Doppelturmanlage und ihres Umfeldes. Beide Planungen wurden im Herbst 2008 auf dem Symposium "Zur Burgenromantik des 19. Jahrhunderts" des Freundeskreises Bleidenberg e.V. und der Gemeinde Oberfell an der Mosel vorgestellt.


Literatur


Quellen


Für vielfältige Hilfe sei dem Europäischen Burgeninstitut (Braubach), Dr. Jens Friedhoff (Braubach), Margarete Johlen (Köln), Josef Schnee (Alken) und Olaf Wagener (Dossenheim) gedankt.

 


 

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