Alken
Der gewippte Ritter (Sage)
- Details
- Erstellt: Sonntag, 03. Februar 2013 18:18
Sage über einen mit einem Katapult von der Burg Thurant "geschossenen" Ritter während der Belagerung von 1247 bis 1248.
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 152-154.
135. Der gewippte Ritter
Oberhalb Oberfell, wenn der Wanderer eine schroffe Felsenwand, welche sich ehedem bis in den Fluß erstreckte, überschritten hat, schaut ihm von beträchtlicher Höhe die im Jahre 1198 erbaute Burg Thuron [1] mit dem Flecken Alken entgegen. Im Jahre 1231 sendete Otto, Pfalzgraf von Baiern [2], der mit seinem fürstlichen Freunde, Kaiser Friedrich II., vom Papst Innocenz IV. in den Bann gethan worden war, hierher seinen Feldhauptmann Zorno [3], um diese seine Burg gegen den Erzbischof Arnold II. von Trier [4] zu schützen. Dieser Zorno war aber zwar ein tapferer, aber auch grausamer Mann, und als es ihm gelungen war, eine Anverwandte des Erzbischofs in seine Hände zu bekommen, vergaß er sich soweit, ein Kind, welches jene hier in der Burg geboren hatte, der Mutter von der Brust zu reißen und es vor ihren Augen in den Abgrund zu schleudern. Durch Bestechung gelang es indeß der Unglücklichen in seiner Abwesenheit von der Burg zu entkommen, sie eilte zu ihrem Verwandten und rief dessen mächtige Hilfe gegen den Wütherich an. Der Erzbischof, welcher inzwischen vernommen hatte, daß der Pfalzgraf selbst an der Spitze eines kleinen Heeres zum Entsatze seiner Burg anrücke, wußte sich den Beistand seines geistlichen Mitbruders, des Erzbischofs Conrad von Hochstetten zu Cölln [5] zu verschaffen, im Verein mit diesem zog er dem Pfalzgrafen entgegen und es gelang ihnen, denselben zurückzuschlagen, so daß er nunmehr an die Belagerung der für unbezwingbar geltenden Veste Thuron selbst denken konnte. Indeß war dieselbe mit allem zur Vertheidigung Nöthigem so wohl versehen, daß ihr Vertheidiger der Belagerung ruhig entgegensah, weil er überzeugt war, sein Herr werde schon Mittel finden ihm zu Hilfe zu kommen, wenn es ihm nur gelänge, sich wenigstens ein halbes Jahr zu halten. Indeß hatte er durch seine beispiellose Härte und unerbittliche Strenge unter den Burgleuten selbst eine starke Parthei gegen sich und so fand ein junger Ritter, der Brenner genannt, den Zorno einst mit Gewalt gezwungen hatte, Dienste auf der Burg zu nehmen, offene Ohren, als er mehrere der Unzufriedenen aufforderte, sich mit ihm zu vereinigen, bei nächtlicher Stunde den Burgherrn zu überfallen und ihn, an Händen und Füßen gebunden, dem Erzbischof auszuliefern. Allein der Verrath schlief nicht, noch ehe sie an die Ausführung ihres Planes denken konnten, hatte Zorno davon Kunde erlangt, ehe die Verschworenen es sich versahen, fiel er mit seinen Getreuen über sie her, machte einen Theil von ihnen nieder und ließ die Uebrigen in die Burgverließe werfen, unter ihnen auch den Brenner. Für ihn aber, als den Anstifter der Empörung ersann Zorno eine eigenthümliche, aber entsetzliche Strafe.
Er sprach höhnend zu dem Wehrlosen: »Du begehrtest, meine Burg zu verlassen, ich werde Dir in wenig Tagen die Möglichkeit an die Hand geben, Deinen Wunsch zu erfüllen!«
2437 Moselburgen in Geschichte und Sagen. Burg Thurandt. Zeichnung Josef Wewerka, ca. 1890/1900. Quelle: IHA-Best03-0014
Auf der Zinne des nach Osten gelegenen Thurmes ward ein mächtiges Gerüst gezimmert und eine Wurfmaschine mit einem ungeheuren Treibbalken daran gebaut. Vermittelst dieser Maschine sollte nämlich der unglückliche Brenner über den Abgrund nach dem gegenüber liegenden Standquartier des Erzbischofs geschleudert werden. Als die Belagerer mit geheimem Entsetzen dem Bau des Gerüstes zusahen, rief ihnen Zorno höhnend hinüber, er wolle ihnen einen Stellvertreter senden, an dem der Herr Erzbischof seine Lust, ihn bei Gefangennahme in den Abgrund zu schleudern, büßen könne. Als nun die Maschine zu Stande gekommen war und alles Bitten und Flehen Brenners den harten Sinn Zorno's zu bewegen nicht im Stande war, da faßte er Muth, bat den Burgkaplan seine Beichte zu hören und that das feierliche Gelübde, daß, sollte er wirklich den gegenüberliegenden Berg ohne Gefahr erreichen, er der h. Jungfrau eine Kapelle errichten wolle. Somit entkleidete er sich seiner Rüstung und bestieg die Zinne. Auf dem gegenüberliegenden Berg lag der Erzbischof mit seiner Geistlichkeit auf den Knieen und flehte Gott und die h. Jungfrau um Schutz und Rettung für den Unglücklichen an. Jetzt ward der Brenner auf die Maschine gelegt und nachdem selbige einige Male hin- und hergewippt worden war, schleuderte sie ihn mit furchtbarer Kraft über den Abgrund hinüber nach dem Standquartier des Erzbischofs. Der Ritter wäre ohne die Kraft der Maschine unfehlbar verloren gewesen, so aber schleuderte dieselbe ihn in das Gebüsch des Abhangs und es gelang ihm sich an einem der vielen Bleidensträuche anzuklammern, so daß er mit Hilfe der Obenstehenden den Gipfel erklimmen konnte. Der Erzbischof ließ ihn sogleich vor sich führen und versprach ihm die vollste Rache an dem Unmenschen. Allein als der Brenner ihm den Zustand der Belagerten schilderte und nicht verhehlte, daß durch einen Sturm Thuron nicht einzunehmen, sondern einzig und allein durch Hunger zur Uebergabe zu bringen sein werde, hierzu aber auch sobald noch nicht Hoffnung sei, weil die aufgestapelten Vorräthe mindestens noch ein Jahr aushalten würden, da ward die Zuversicht des Erzbischofs so herabgestimmt, daß er Zorno unter Verheißung sichern Geleites zur Uebergabe aufforderte. Allein dieser wies trotzig alle Vorschläge zurück, weil er auf Entsatz durch seinen Herrn hoffte. Indeß dieser ließ nichts von sich hören, im Gegentheil ein zu ihm um Beistand geschickter Bote brachte die Antwort, der Pfalzgraf vermöge ihm nicht zu Hilfe zu kommen. Da begann der Hunger unter den Burgbewohnern zu wüthen und so mußte sich denn Zorno bequemen, nun selbst um Frieden zu bitten. Das Leben wurde Zorno und seinen Gefährten gesichert, allein Alle mußten Urfehde schwören und Zorno ins Kloster wandern und es ward bestimmt, daß weder Zorno noch einer seiner Angehörigen jemals in und um Alken eine Wohnung in Besitz haben dürfe.
Zum ewigen Gedächtniß dieses glorreichen Sieges bauten aber der Erzbischof und Brenner, seinem Gelübde gemäß, an der Stelle, wo Letzterer niedergefallen war, der h. Jungfrau eine Kapelle [6] und diese Kapelle auf dem Bleidenberg ist bis zum Anfange dieses Jahrhunderts ein sehr besuchter Wallfahrtsort geblieben. Jetzt steht sie gleich Thuron verödet. In dem am Fuße des Berges liegenden Schlosse aber befindet sich noch jetzt ein altes, leider sehr beschädigtes Gemälde auf Leinwand, auf welchem man noch ganz deutlich den über den Abgrund schwebenden Ritter Brenner, einen Theil des Flecken Alken, die Burg und die Kapelle auf dem Bleidenberge erkennen kann.
[152] (Nach Merck a.a.O. S. 53 etc.)
Quelle: http://www.zeno.org/nid/20004946138
------------------------------------------------------
Eine Variante der Sage findet sich bei
Johann August Klein: Das Moselthal zwischen Koblenz und Zell mit Städten, Ortschaften, Ritterburgen. Koblenz 1831 (www.dilibri.de/urn/urn:nbn:de:0128-1-5995):
[S.101]
"Zwischen dem Berge und dem Schlosse, über der furchtbaren Thalschlucht [7], in grauenhafter Höhe, soll auf gespannten Seilen nach der Einnahme ein Dorfvogt hin und her gewippt worden seyn, der sich als feindlicher Ausspäher hatte brauchen lassen."
[...]
[S.102]
[...]
Ein altes Gemälde auf Tuch, leider höchst schadhaft, stellt jene Vogtwippe dar: Seilwerk, an einem Hauptbalken angebracht, steigt vom Vorderthurme der Burg auf. Doch läßt sich aus der Zeichen eben so wenig die Maschinerie erklärenn, als die wagrechte Lage des Mannes, der, nett aufgeputzt, mit vorgehaltenen gefalteten Händen, gleichsam schwimmend, in freier Luft schwebt."
Anmerkungen:
[1] Burg Thurant, vgl. Artikel "Burg Thurant".
[2] Otto II. der Erlauchte (1206-1253) aus dem Geschlecht der Wittelsbacher, von 1231 bis 1253 Herzog von Bayern und von 1214 bis 1253 Pfalzgraf bei Rhein, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_II._(Bayern) (Abruf 3.2.2013).
[3] Kurt Andermann: Der pfalzgräfliche Marschall Berlewin Zurno. Versuch einer Würdigung, in: Alzeyer Geschichtsblätter Bd. 18 (1983) S. 71-98.
[4] Arnold II. von Isenburg (um 1190-1259), von 1242 bis 1259 Erzbischof und Kurfürst von Trier, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_II._von_Isenburg (Abruf 3.2.2013).
[5] Konrad von Hochstaden, auch Konrad von Are-Hochstaden (um 1205-1261) war als Konrad I. von 1238 bis 1261 Erzbischof von Köln, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_von_Hochstaden (Abruf 3.2.2013).
[6] Die Wallfahrtskapelle auf dem Bleidenberg ist allerdings deutlich älteren Ursprungs, vgl. Udo Liessem: Die Kapelle auf dem Bleidenberg, in: "...wurfen hin in steine/grôze und niht kleine...". Belagerungen und Belagerungsanlagen im Mittelalter, hrsg. von Wagener, Olaf / Laß, Heiko (Beihefte zur Mediaevistik - Band 7). Frankfurt am Main et al. 2006, S.291-304.
[7] Gemeint ist der Bleidenberg und das Schloss der Wiltberger, in dem sich auch das nachfolgend erwähnte Gemälde befunden hatte.