Stadtmauer

Holger Simonis: Stadt Alken - Die Geschichte einer Befestigung und ihrer Erhaltung

Das heutige Ortswappen gibt Aufschluss über die Vergangenheit Alkens. Damals von den Schöffen der Alkener Gerichtsbarkeit getragen, zeigt es die zwei Türme Thurants unter Köln und Trier. Wie auch ursprünglich auf Thurant sind die Bergfriede überdacht.
Die fliegenden Kugeln symbolisieren die Blieden (Wurfgeschosse) während der Fehde 1248. Der goldene Streifen unterhalb verdeutlicht die schimmernden Fluten der Mosel. Links die diagonalen Zinnen als Sinnbild der schroff ansteigenden Wehrgänge vom Tal bis zur Burg.

Noch vor einigen Jahrzehnten waren Winzer und Handwerker die einzigen Gewerbetreibenden in Alken. Zu einer Zeit, als Pferdekutschen und Ochsengespanne von stinkenden und lärmenden Maschinen verdrängt wurden. Einige Jahrhunderte zurück zählten Händler von Schmuck, Tuch, Werkstoffen, Wein und Viehzeug aus aller Welt zu den Verweilenden in Alken.

Nicht ohne Grund nutzten schon die Römer Alkens verkehrgünstige Lage an einem der Haupthandelswege der Untermosel und errichteten den Namensgeber Alkens - die Villa Alkena - abgeleitet vom keltischen Olk (450 v. Chr.), was soviel wie umzäuntes Haus mit Garten heißt.

Auch die Anhöhe über Alken diente als römischer Stützpunkt in einer Zeit, als die Römer uns den Wein und die Kultur brachten.[1] Später tragen diese Fundamente die heutige Burg Thurant. Die Streitigkeiten um das strategisch bedeutsame Thurant in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts sind ein spannendes Thema für die Historiker, vor allem der letzte, kriegerisch u. a. durch Blidenbeschuss herbeigeführte Besitzwechsel 1248, bei dem der vormalige Stützpunkt der Pfalzgrafen an die Bistümer Trier und Köln überging.[2]

Mit dem Bau der Stadtbefestigung Alkens wurde unter Engelberth II von Köln und Anrold von Trier vermutlich 1256 begonnen. Das Gehöft Alken lag an dem Haupthandelsweg, der durch das Bachtal hinauf in den Hunsrück zu des "Pfaffen Hecke" und auch an den Rhein führte. Durch diese verkehrsgünstige Lage expandierte der kleine Ort.
Da bis dahin lediglich die Wiltburg und das Malteserhaus durch massive Einfriedungen geschützt waren, war eine umfangreichere Befestigung nötig.

Zu dieser Zeit waren die Trierer Ministeriale Ritter Diethard und Heinrich von Pfaffendorf auf Burg Thurant eingesetzt.
Innerhalb von 74 Jahren erbauten die Bewohner Alkens, die beiden Herren auf Thurant Frondienst ableisten musste, die Stadtmauer.
Nachdem diese vollendet war verlieh Kaiser Ludwig der Bayer dem Ort Alken am 23. August 1332 das Stadtrecht, welches von Karl IV 1346 bestätigt wurde.
Über den Verlauf der Stadtmauer sind keine Bilddokumente vorhanden, allerdings sieht man Mauerreste auf alten Kupferstichen und in einigen schriftlichen Dokumenten von Reisenden und Händlern wird Alkens Befestigung beschrieben.
"Alcken; ein alter Flecken flußbwärts am rechten Ufer der unteren Mosel gelegen, ein und viertel Stund gegen Morgen von Münster gelegen, mit Mauern und Thürmen versehen. Auch zur Moselseit mit Mauern umgeben, zur Südseit hat sie desgleichen eine Mauer mit zahlreichen Thürmen und einen starken Tor-Turm [Fallerport]. Ein Graben von 3 Mann Höhe zieht sich davor von Mosel bis in den Hang. Auch zu Norden hat es noch ein Tor, welches gemauert und ziemlich groß ist. Vor Zeiten war es etwas größer zum Berg gebaut, geschützt ist die Nordmauer vom Bach. Die Stadtmauer zur Südseite hat bis zum Schloss Thurant gestanden, so dass man sicher vom Ort zum Schloss und zurück gehen konnte. [Dieses umstrittene Bauwerk wurde 2008 nachgewiesen (Strecke zwischen "Kreuz" und Thurant)] Das Bachtor gen Osten war ebenfalls bemauert [überbaut] und lief bis an die Felsen der Michaelskirche aus. die Gassen zur Mosel hatten bebaute Törchen zum Vorgelände wo Markt gehalten wurde. Zur Häuserfront und Moselmauer zog sich die 3 m breite Wünschgasse." (unbekannter Verfasser)[3]

Auf dem franz. Urkataster Napoleons ist zu erkennen, dass Alken von einer Ringbefestigung umgeben war.
Die "Interessengemeinschaft Historisches Alken" konnte nachweisen, dass diese auch mit der Burg verbunden war.
Insgesamt war die Stadtmauer über 1000 m lang und bei ihrem Bau wurden ca. 1000 m³ Steine verarbeitet, ohne die Türme mitzurechnen. Mit etwa 5000 m² Schiefer wurden die Dächer gedeckt und 12.000 m² Mauerfläche wurden verputzt und gestrichen.
Die Mauer wurde aus Grauwacke-Bruchsteinen errichtet, die vor Ort im Steinbruch abgebaut wurden.
Durch Forschungen der "IHA" wurden die alten Mauerhandwerkstechniken herausgefunden und anhand von Laboranalysen konnte man die Zusammensetzung des Mörtels und des Putzes nachweisen: Der Mauermörtel wurde aus verfeinertem Lehm hergestellt, während der Verputz aus Kalk hergestellt wurde. Kalk war im 13. Jahrhundert sehr kostspielig und wurde beim Mauern nur an wichtigen Stellen verwendet, wie zum Beispiel bei Portalen. Weitere Arbeiten des Vereins an Mauerüberresten zeigten die Applikation des Rapputzes und einen umbrafarbenen Kalkanstrich.

 

Verlauf der Stadtmauer, Einzeichnung Simonis in Urkataster LHA, Best.730 Nr.337, Bl.20

Verlauf der Stadtmauer
Abb. 1: Rekonstruktion des Stadtmauerverlaufs.
Zeichnung Verfasser auf Basis des Urkatasters [Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 730 Nr. 337 Bl. 20]

  1. Wachturm: oberster Turm der den Ring der Befestigung schloss; Mauer zog sich bis Thurant
  2. Wachturm "Hexenturm" (komplett erhalten). Der Name vom Volksmund; vermutlich kein Zusammenhang mit Inquisition
  3. Wachturm "halber Turm"; Reste eines gotischen Portals im Obergeschoss.
  4. Fundamente dieses ehemaligen Wachturms sind durch eine Durchfahrt überbaut
  5. Fallerport: Haupttor der Südbefestigung; mit Fallgitter gesichert und durch Zugbrücke über einen Graben erreichbar.
  6. Eckturm am Moselufer sicherte Hauptangriffsflanke; wegen 2 Meter dicken Mauern auch als Eisbrecher genutzt.
  7. Moseltor an der "Mittelsjass" zum Beladen der Schiffe.
  8. Moseltor an der Wiltbergstrasse in der Westmauer.
  9. Maueröffnung als Bogen in der Nordmauer (Nutzen bislang ungeklärt)
  10. Nordtor. Torturm mit Zugbrücke über den Bach.
  11. Überbautes Osttor am Wiltberger Schloss. Hieraus führte der Handelsweg zum Hunsrück und Rhein.
  12. Schlupfloch vom Ort zur Burg.

Die Südmauer der Befestigung verlief vom Moselturm (6) über das Fallerport und drei weiteren Türmen (4,3,2) bis zum obersten Turm (1), der die Ringbefestigung schloss. Von dort zog sich eine Mauer bis zur Burg.
Das Fallerport (5) war das Haupttor der Stadtmauer und war durch ein Fallgitter und einen 6m tiefen und 8m breiten Graben geschützt, der nur über eine Zugbrücke überquert werden konnte.
Von dem Turm, der auf das Fallerport im Mauerverlauf folgte (4), waren nur noch Fundamente erhalten, die jedoch von einer Hauseinfahrt überbaut wurden.
Der nächste Turm ist nur noch zu Hälfte erhalten (3). Bei genaueren Untersuchungen fand man die Überreste eines mannshohen gotischen Portals im Obergeschoss, aus dem die Wehrgänge in einer Höhe von ca. 6m betreten werden konnten.
Der folgende Turm ist unter dem Namen "Hexenturm" bekannt (2). Unter diesem Wehrturm sind noch Überreste eines weiteren Portals vorhanden, welches einen Durchgang in den Weinberg ermöglichte.
Dieses lässt darauf schliessen, dass der hinaufführende Pfad bereits vor ca. 800 Jahren existierte. Auffällig ist, dass bei diesem Portal Kalkmörtel verwendet wurde.
Die Mauerstärke, die innerorts durchschnittlich bei 1,20 m lag, verjüngte sich im Steilhang, was damit zu erklären ist, das durch diesen keine Möglichkeit bestand, Belagerungsgeräte anzubringen. Daher ist es auch unwahrscheinlich, dass auf der Südseite der Befestigung ab dem "Hexenturm" überdachte Wehrgänge vorhanden waren, jedoch konnte die Existenz von weiteren Durchgängen in den Weinberg nachgewiesen werden.
Ebenso wurde anhand der Handwerksspuren festgestellt, dass die Mauern zwischen den Türmen nachträglich eingefügt wurden, da weder Zahnungen noch Ausbrüche an der Außenhaut der Türme zu finden sind.
An der nördlichen Seite der Stadtmauer befand sich laut verschiedenen Quellen ein Torturm, der ebenfalls über eine Zugbrücke zu passieren war (10).
Sowohl an Nord- als auch an Südmauer waren Wohnhäuser angebaut, die durch einen Kellergang verbunden war, um im Angriffs- oder Brandfall eine Fluchtmöglichkeit zu bieten.
Hierher rührt der Name der "Brandgasse". Die letzte noch vorhandene Durchgangsöffnung wurde im heutigen Turmgasthaus bereits nachgewiesen, aber noch nicht dokumentiert.
Auf alten Kupferstichen kann man zwei Tore an der Westmauer ausmachen:
Eins befand sich zwischen "Mittelsjass" und "Brandjass" und war zum Beladen der Schiffe vorgesehen (7). Die heutige Wiltbergstraße führte durch das zweite befestigte Tor zur Mosel (8).
1861 wurde die gesamte Westmauer wegen dem Bau der Moselstraße abgerissen. Die restliche Mauer wurde als Steinbruch für Weinbergsmauern genutzt oder verfiel der Witterung.
Von der gesamten Stadtmauer sind heute nur noch 50 m erhalten.

Rekonstruktion anhand von Bauwerksspuren von Stadtmauer Innen- und Außenmauer Querschnitt der Alkener Stadtmauer vor einem der Türme

Chronologie der Stadtbefestigung Alken
1248 Übernahme Alkens und Thurants nach zweijähriger Belagerung von Kurtrier und Kurköln; Aufteilung der Burg
1256 vermutliche Grundsteinlegung zum Bau der Stadtbefestigung
1332 Verleihung der Stadtrechte durch Kaiser Ludwig dem Bayer
1346 Bestätigung dieser durch Kaiser Karl IV
1620 1640 Hexenprozesse. Die "Wiltberger" tragen nach und nach die Befestigung des Bachtals und Teile Thurants ab
1790 (franz. Revolution) Die Stadtmauer kann keinen Schutz mehr gegen neuartige Waffen geben
1813 Truppen Napoleons zerstören Große Teile der Stadtbefestigung sowie Burg Thurant
1861 Niederlegung der gesamten Moselbefestigung zum Bau der Moselstraße B9. Die Winzer legten die 300m lange Südbefestigung zum Bau von Weinbergsmauern nieder
1911 Geheimrat Dr. Robert Allmers kauft die Ruine Thurants und betätigt sich als erster "Alkener" in der Denkmalpflege
2000 Die Gruppe "Stadtmauermaurer" errichtet auf vorhandenen Fundamenten die Stadtmauer hinter der Michaelskirche neu
2007 Die Gruppe "Interessengemeinschaft Historisches Alken" wird gegründet und macht es sich zur Aufgabe, vor Eingriffen an originalen Wehrbauten Untersuchungen anzustellen. Einer der Aktion, ist die Wiederaufbau der Stadtmauer.

Alken von Norden im 16. Jh. Rekonstruktion von Holger Simonis auf Basis einer kolorierten Aquatinta-Radierung von Johann Carl Bodmer um 1830

Abb.2: Alken von Norden im 16. Jh. Rekonstruktion des Verfassers auf Basis einer kolorierten Aquatinta-Radierung von Johann Carl Bodmer um 1830.

Mauerwerk als Putzuntergrund
Mit Beginn der Gotik setzt sich eine neue Qualität durch, die im Wesentlichen durch die Verwendung von nicht lagerhaft bereitendem Bruchstein gekennzeichnet ist. In der Verwendung von Steinmaterial, das nicht vom Steinmetz sorgfältig vorbereitet wurde, kommt ein Wandel der handwerklichen Strukturen zum Ausdruck, der in der durch Zünfte und Bauhütten neu organisierten Arbeitsteilung bestand. Dieses Bruchsteinmauerwerk stellt einen eigenen Typus dar und ist zum Beispiel im Zusammenhang mit Überformungen auf romanischem Mauerwerk klar zu erkennen.
Wie auch der Feldsteinbau ist dieses Mauerwerk für Verputz geschaffen und bedarf aus statischen Gründen des starken Eckverbandes aus Quadersteinen. Je nach landschaftsbedingtem natürlichem Steinvorkommen und der Verwendung von Backstein entstand die typische Backstein-Gotik. In Süddeutschland wie auch an der Mosel wird die mittelalterliche Architektur vor allem vom Putzbau bestimmt.
Die meisten Mauerwerke von der Gotik bis heute sind für Verputze gedacht. Stein- oder Ziegelsichtigkeit sind von lokaler Bedeutung und stellen vor allem im 19. Jahrhundert modische Akzente dar.[4]
[Die Mauerwerke der Alkener Stadtbefestigung wurden in "Sparbauweise" errichtet. Grauwacke brach man vor Ort, Sand entnahm man der Mosel oder örtlichen Gruben. Nach Forschungen von Ingeborg Scholz (Buch Erzbischof Balduin als Bauherr im Erzstift Trier) verschlangen allerdings die Kalkkosten über 30 % der gesamten Materialkosten.[5]
Somit wurde als Mauermörtel der ebenfalls örtlich zu bekommene Lehm verwendet. Diese nicht witterungsstabile Bauart machte einen schützenden Verputz zur unumgänglichen Notwendigkeit.
Große Teile des Mauerwerks am Hexenturm liegen heute frei, der Lehmmörtel wäscht sich aus, Steine lösen sich. Handlungsbedarf- aber wie?
Ein Beispiel ist der Fallerport Alkens, das Haupttor der Südbefestigung mit über 20m Höhe, wurde in den 90ern "restauriert". Die Handwerker haben gut gearbeitet und zweifelsfrei sieht er wieder schön aus. Ihn prägt jetzt jedoch eine sauber abgezogene Verfugung aus Trasszement an der Außenseite. Natürlich müssen die Fugen gegen Auswaschungen gesichert werden, aber nicht als akkurates Sichtmauerwerk mit Trasszement. Wirkliche Restaurierung kennt andere Möglichkeiten.
Im Inneren wurde auf eine Verfugung verzichtet, dafür verschwanden durch "Hilti" Primärquellen wie Putzfragmente, vielleicht Anstriche und sogar Spuren des Hebemechanismus des einstigen Fallgitters.
Wir müssen unsere Bauhistorie erhalten - doch wie viel Geschichte zerstören wir dabei?

Putztechnik der Alkener Stadtmauer
"Seit der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts veränderte sich die Mauertechnik. Zunehmend wurde kleinteiliges Steinmaterial zum Bruchsteinmauerwerk verwendet, das nicht mehr auf Sicht gebaut, sondern völlig verputzt werden sollte. Auch der romanische Bestand an den Gebäuden, der bis dahin lediglich eine Fugenvermörtelung besaß, wurde von einlagigen Putzen überformt. Das äußere Erscheinungsbild ganzer Städte und Ortschaften veränderte sich grundlegend."[6]
Was den Verputz betrifft, sind diese Aussagen nach heutigem Forschungsstand mit Vorsicht zu genießen, denn in den letzten Jahren konnten vermehrt Verputze aus romanischer Zeit nachgewiesen werden.[7]
Getünchte oder geschlämmte Oberflächen waren weniger üblich, an der Alkener Befestigung jedoch nachgewiesen (Mikroskopie). Bei dem Kellenwurfputz wurden in unserem Fall Sieblinien bis 0,5 cm und Putzdicken über 4 cm nachgewiesen.
Die Alkener Stadtmauer musste zwangsläufig einen schützenden Putz erhalten, da die Mauerung aus Lehm und Grauwacke nicht witterungsstabil war.
Das Erscheinungsbild unseres Sicht-Putzes ist abhängig vom Putzträger, also von der Mauertechnik, vom Mauerrelief und von der Oberflächenstruktur, von Zusammensetzung und Gefüge des Mörtels und vor allem von der Größe, Form und Farbe der Zuschlagstoffe. Die Struktur wird durch die Art des Auftrags, der Applikation und der Bearbeitung bestimmt. Im Gegensatz zum italienischen "Rasa Pietra" schienen an der Wehrbefestigung Alkens nicht die Steinköpfe durch. Es wurde durch anwerfen und abkellen "deckend" verputzt.
Dieser "Berapp" oder "Bestrich" überzieht das Mauerwerk wie eine Haut und lässt die Mauerstruktur durchwirken (Beispiel: Turmgasthaus an der Mosel, Alken, 13. Jahrh.) In Wechselwirkung von Mörtelzusammensetzung und Maueroberfläche und vor allem dem Bewegungsrhytmus des Maurers entsteht die spezifische Oberflächenstruktur dieser Putze.

Was ist erhaltenswürdig?
Durch Materialanalysen bestätigt, handelt es sich bei den Fragmenten der Stadtbefestigung um einen der letzten unverfälschten Zeitzeugen der mittelalterlichen Handwerkstechnik in Alken.

Bild: Rekonstruktion des mittelalterlichen Alken (13.Jahrh.) anhand einer Luftaufnahme von Südwesten. Es wurden nur nachweisbare Bauten dieser Zeit abgebildet. In der Gotik gab es weitere Häuser in Alken deren Standort aber nicht belegt werden kann. Weitere Bauten entstanden in jüngeren Stilepochen.

Einmal von den geschichtlichen und bautechnischen Aspekten abgesehen wissen wir, dass der ästhetische Charakter dieses Bauwerks verbunden mit anderen Bauten dieser Zeit unzertrennlich das Ortsbild Alkens prägt. Alken identifiziert sich als "romantischer Moselort" mit seinen leider nur noch wenigen traditionellen Bauten. Denn als mit Beendigung des Krieges 1945 die Bims- und Betonbauweise Einzug hielt, mussten viele Bruchstein und Fachwerkhäuser weichen. Einige Fachwerk- und Natursteinbauten wurden liebevoll in ihrer Originalsubstanz gepflegt, andere wurden wegen den Anforderungen der 60er/70er-Jahre verunstaltet oder gar abgerissen. Das betrifft auch die Stadtbefestigung. In den 90ern verschwand mit dem Abriss eines Hauses das letzte bewohnte Stück Stadtmauer. Auch die Stadtmauer selbst erinnert kaum noch an eine stolze Befestigung, wurde doch die gesamte Westmauer ohne Dokumentation zum Bau der Moselstraße niedergelegt. Die anderen Teile verschwanden durch die Nutzung als Steinbrüche. Nur noch die markanten Eckpunkte blieben uns erhalten. Doch sogar hier, im Haupttor Alkens - dem Fallerport - wurde erst gar nicht daran gedacht, bei der "Restaurierung" wenigstens Teile des vorhandenen Originalputzes zu erhalten.
Uns ist nun die Möglichkeit gegeben, die über 700 Jahre alte, übrig gebliebene Originalsubstanz an unsere nachfolgenden Generationen weiterzureichen. Einigen Leuten mag es an Verständnis mangeln, warm beispielsweise Fragmente eines bröckelnden Kalkputzes erhalten bleiben sollen, doch wissen diese Leute nicht, dass gradlinig verfugte, steinsichtige Mauern nicht der moselländischen Gotik entsprechen.
Ein Zeuge der alten Handwerkstechniken ist z.B. der Hexenturm - dank der vorangegangenen Vernachlässigungen der Bausubstanz, wohl aus Kostengründen und durch die schwer zugängliche Lage. Die nähere Auseinandersetzung mit der Oberfläche eines unscheinbaren Bauwerks überstiegen meine Erwartungen über das, was eine Ruine doch noch alles erzählen kann. Mit den Ergebnissen der Laboranalyse der eingeschickten Putzproben konnten sogar weniger Interessierte motiviert werden, das echte "Rezept" in Form der Primärquelle unverändert in die Zukunft zu begleiten. Doch hat der Putz in Form von Fragmenten nicht nur seine Daseinsberechtigung, weil er das Geheimnis eines alten Rezeptes birgt, sondern mit den Untersuchungen mit Streif- und Schwarzlicht konnte sogar das Applikationsverfahren (Art des Putzauftrags) nachgewiesen werden. Trotz der stark abgewitterten Oberfläche ist festzustellen, dass der Putz nur mit der Kelle angeworfen und nicht geglättet wurde. Sogar an der fast nicht mehr erkennbaren Struktur des Antrags kann man vermuten, dass es sich bei dem Verputzer um einen Rechtshänder handelte. Kriminalistische Untersuchungen wie nach einem Mordfall - doch die Kripo hat den Nachteil, nach der "Bestandsaufnahme" ihre Primärquelle beerdigen zu müssen. Wir haben die Möglichkeit, durch größtmögliche Substanzerhaltung das Objekt neuen Generationen mit neuen Möglichkeiten der Restaurierung anzuvertrauen. Meiner Meinung nach ist es unsere Pflicht, jedes Putzfragment zu sichern, aber nicht zu verändern. Um es anders auszudrücken: es wäre sonst "Fälschung von Beweisstücken".

Was ist erhaltensfähig?
Vieles, was im stressigen Berufsalltag wegen der Einfachheit entfernt oder komplett überarbeitet wurde, wäre zu erhalten gewesen. Oft fehlt hier das Interesse an historischer Handwerkstechnik oder einfach das Geld, denn meist kostet ein fachlicher Umgang mit alter Substanz ein Vielfaches mehr als eine Renovierung.
Für das Projekt "Hexenturm" setzt sich die "Interessengemeinschaft Historisches Alken" ein. Sie achtet darauf, dass eine Restaurierung nicht mit dem "Torkret-Saniermobil" in Verbindung gebracht wird.
Der Hexenturm ist auf den ersten Blick in einem ruinösen Zustand. Dennoch ist die Bausubstanz gut erhalten. Die meisten Teile sind nicht mehr mit Putz bedeckt. Diese Steinsichtigkeit sind die Alkener schon immer gewohnt und sie erinnert an eine Art Trockenmauer. Besagte Optik wird in Zukunft nicht erhaltensfähig sein, da sich der Lehmmörtel auswäscht und auf Dauer die Stabilität gefährdet. Nach Absprache mit einem Bauunternehmen und dem Landesamt für Denkmalpflege wird hier ein Beiwerfen der Fugen mit dem ursprünglichen Kalkputz vorgeschlagen. Anhand einiger Löcher ist sehr gut die Gerüstbautechnik im Mittelalter nachzuvollziehen, was ein Grund dafür ist, diese ebenfalls zu erhalten. Durch fachgerechte Bearbeitung lassen sich hohl liegende Fragmente wieder an den Untergrund binden, und man gibt der Oberfläche seine natürliche Festigkeit zurück. Somit kann man die Handwerksspuren auch in Zukunft noch betrachten.
Eine Oberflächenbeschichtung ist optisch nicht nachzuweisen, es lässt sich jedoch durch Laboranalysen ein umbrafarbener Kalkanstrich belegen.
Die Frage, ob dieser Turm jemals gestrichen war, ist somit geklärt. Dennoch sollen auch die mikroskopischen Nachweise des Anstriches für spätere Untersuchungen erhalten bleiben, in dem man die Oberfläche nicht verändert.
Die Tatsache, dass die Analyse von Dr. Erfurth einen Kalkanstrich belegte, sorgte für die Frage, warum an der gesamten Stadtbefestigung kein Anstrich mehr zu finden ist. Ein echter Kalkanstrich im Außenbereich weist wesentlich dünnere Schichtdicken auf als unsere heutigen "Deckel auf und drauf" - Farben. Auch durch Ihre Mineralität sind Kalkfarben schneller "abgewaschen" als die bekannten Dispersionen (Vollkunststoff). Es sind "nur noch" die mikroskopischen Nachweise des Anstriches erhaltensfähig, in dem man sich mit der Reinigung des Putzes etwas zurücknimmt. Da schon eine Probetafel mit Rapp-Putz des alten Rezeptes der Witterung ausgesetzt wurde, um die Haltbarkeit über den Winter zu testen, brachte ich auch den nachgewiesenen Kalkanstrich zur Hälfte auf. Somit kann vielleicht verdeutlicht werden, wie vergänglich Kalkfassaden sind.
Vor jeder Maßnahme steht die Entscheidung, ob und wie viel Hand angelegt wird. Nicht immer sind größere Eingriffe notwendig, oft sind sie sogar falsch. Beispielsweise meint der Volksmund wenn er sagt: "Es wurde restauriert" eigentlich eine völlige Überarbeitung. Die "IHA" dagegen verbinden damit authentische Substanzerhaltung.
Wenn Heimwerker oder auch Fachleute ohne Sinn für die Vergangenheit anfangen zu "restaurieren", sehen die alten Schätze meist wieder gut aus, allerdings entsprechen sie nicht mehr dem Original in seinem Urzustand. Somit verbindet man die Stilepoche mit etwas, das nie so ausgesehen hat.
VOR jeder Maßnahme an ursprünglicher Bausubstanz sollten sich Eigentümer, Denkmalpfleger und ausführende Handwerker klar sein, welches Ziel sie verfolgen und in welchem Ausmaß. Denn ohne sich darüber im Klaren zu sein, welchen Zustand man erreichen bzw. erhalten möchte, sollte man nicht mit irgendwelchen Maßnahmen beginnen.
Denn restaurieren heißt nicht "auf Teufel komm raus rumzuhandwerkeln", damit es wieder toll aussieht, sondern lediglich es weitgehend ohne Veränderungen oder auch mit anschaulichen, nachweisbaren Rekonstruktionen der Nachwelt zu erhalten.

Mit einigen Arbeitseinsätzen fing es an, mit der Einrichtung eines Archivs für Dorfgeschichte und Baudokumentation ging es weiter und es endet hoffentlich mit der Erhaltung sowohl der Primär als auch der Sekundärquellen für viele weitere Generationen.
Die "Interessengemeinschaft Historisches Alken" möchte sich für großen Einsatz zur Erhaltung der Geschichte bei den "Vorreitern" bedanken:
Robert Allmers, Ludwig Ebenau, Max Langen, Josef Schnee - und alle Anderen die nicht nur nach vorne, sondern auch zurück schauen.

(Foto: Ein Teil der Interessengemeinschaft bei Arbeiten am Hexenturm)

Fußnoten:

[1] Karl-Josef Gilles, Spätrömische Höhensiedlungen in Eifel und Hunsrück (Trierer Zeitschrift für Geschichte und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete, Beiheft 7), Trier 1985, S. 103 - 105.
[2] Eine Zusammenfassung bietet Olaf Wagener, Die Belagerungsanlage auf dem Bleidenberg und Burg Thurant, in: Ders. (Hrsg.), Die Burgen an der Mosel, Akten der 2. internationalen wissenschaftlichen Tagung in Oberfell an der Mosel, Koblenz 2007, S. 105 - 108.
[3] Unveröffentlichtes handschriftliches Manuskript, Quelle unbekannt, Kopie in Sammlung Josef Schnee, Alken. Unterhalb des Textes bezeichnet "Versie Codes Dir Rhen M.: IV Theil 2. Abtheilung Nr. 183 Pay 401".
[4] Vgl. hierzu Klaus Freckmann, Rustikalität in der Architektur des 19. Jahrhunderts. Die Region Mittelrhein und untere Mosel als Beispiel, in: Jens Friedhoff, Olaf Wagener (Hrsg.), Romantik und Historismus an der Mosel. Verklärtes Mittelalter oder geprägte Moderne? (Akten der 4. wissenschaftlichen Tagung in Oberfell an der Mosel), Petersberg 2009, S. 49 - 65.
[5] Ingeborg Scholz, Erzbischof Balduin von Trier (1307 - 1354) als Bauherr von Landesburgen im Erzstift Trier (Architektur 2), Münster 2004, S. 165
[6] Jürgen Pursche, Gotische Putzformen und Putztechniken (Das Bauzentrum / Fraunhofer Institut, Restauratorenblätter), o. O. 1989.
[7] Udo Liessem, Notizen zur Niederburg in Kobern, in: Olaf Wagener (Hrsg.), Die Burgen an der Mosel, Akten der 2. internationalen wissenschaftlichen Tagung in Oberfell an der Mosel, Koblenz 2007, S. 8 - 24, hier S. 16.

 


© Restaurator Holger Simonis, Alken im Januar 2010 / IHA 2010
(Veröffentlicht in: Wagener, Olaf (Hrsg.): «vmbringt mit starcken turnen, murn». Ortsbefestigungen im Mittelalter. Frankfurt am Main 2010 (Beihefte zur Mediaevistik - Band 15); ISBN 978-3-631-60664-3; 76,90 EURO; 450 Seiten erschienen im Peter Lang Verlag).
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